NLP - Esoterischer Spuk oder effektive Lehrmethode

NLP und andere Psychomethoden erfreuen sich auch in der Weiterbildung wachsender Beliebtheit. Gelernt wird nicht nur mit dem Kopf - auch die Psyche spielt kräftig mit, wenn es darum geht, sein Wissen, sein Verhalten, seine Wünsche und Ziele zu verändern. Kein Wunder also, dass seit den 80er Jahren mit zunehmender Tendenz Psychomethoden in der Bildung Einzug gehalten haben. Dabei geht es aber nicht immer mit rechten Dingen zu.

"Das Training umfasste zwei Wochenenden und einen Abend. Am ersten Wochenende ging es darum, die Ängste hervorzuholen und sie zu intensivieren."

"Höhepunkt des bizarren Trainings war der Todesangst-Prozess. Die Teilnehmer wurden von den Assistenten zu einem Stuhl geführt, mussten sich die Ohren zustopfen und sich an den Händen fesseln lassen. Dann wurden sie auf ein Podest geführt, ins Leere heruntergestoßen und von den Assistenten aufgefangen. Nach dieser symbolischen „Hinrichtung“ begann eine zweistündige Todesphase. Es wurden Grablichter aufgestellt, schwarzgekleidete ‚Assistenten‘ trugen Kapuzen und Sensen in der Hand; im Raum stand ein leerer Sarg..."

Diese Prozedur durchlebten Teilnehmer, die ein harmlos klingendes Seminar gebucht hatten mit dem versprochenen Ziel, per "Infinity-Methode" zur beruflichen Selbstverwirklichung zu gelangen und die Gesetze des Erfolges kennenzulernen. Einer von vielen Psychokult-Seminaren, die, nicht nur in Deutschland Hochkonjunktur haben. Nichts scheint abstrus genug zu sein, um versagensängstliche Manager oder karrierebesessene Newcomer, aber auch Gebrauchtwagenhändler oder Sachbearbeiter von solchen "Persönlichkeitsseminaren" abzuhalten. Das Spektrum ist groß: Es reicht von sektenverdächtigen Veranstaltungen wie dem Todestraining des Münchener Pseudo-Gurus Ayura Sateth-Re, bürgerlich Hannes Scholl, über Landmarkkurse und Rebirthing bis hin zu suggestopädischen Methoden, die per Ansprache an das Unterbewusste den Lernerfolg zu steigern suchen, oder das therapeutisch orientierte "Neurolinguistische Programmieren" (NLP). Aber wir warnen davor, hinter jedem Persönlichkeitsseminar einen Seelen- und Geldfänger zu sehen. Die "Wölfe im Psychopelz" haben allerdings zur Zeit noch einfaches Spiel, was sich ändern soll, denn nach den Vorschlägen der Enquetekommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" soll ein Gesetz zur "Regelung der gewerblichen Lebensbewältigung" Grenzen setzen.

Gemeinsam ist den psychologisch orientierten Methoden, dass sie Nachteile eines rein kognitiv ausgerichteten Lernens, vor allem die relativ geringe Behaltensleistung und das schnelle Vergessen, durch emotionale Ansprache und den Versuch, tiefere Schichten des Menschen zu erreichen, umgehen wollen. Diese ganzheitlichen Ansätze sind in der Pädagogik willkommen und haben sich etwa beim "Superlearning" schon etabliert. Auch das NLP, in den 70er Jahren in Amerika entwickelt, findet in Deutschland immer mehr Anhänger. 1.700 Mitglieder zählt der Dachverband DVNLP bereits, eine Vielzahl von NLP-Instituten und schätzungsweise über 8000 NLP-Trainer bieten ihre Dienste an. Hier lässt sich lernen, wie man durch positives Denken mehr Erfolg im beruflichen wie privaten Leben haben kann. Entscheidend für den richtigen Einsatz von NLP, so ein Vorstandsmitglied, sei die qualifizierte Ausbildung der Lehrer und Therapeuten, wie sie der DVNLP in seinen Statuten vorschreibe. Nur so könne ein Missbrauch dieser Technik vermieden werden. Man sieht die großen Vorteile der Methode in ihrer Wirksamkeit. Einen explizit weltanschaulichen Hintergrund habe NLP dagegen nicht. Vielmehr sei es eine reine Technik, um seine Ziele zu erreichen. Ein Blick auf den Buchmarkt zeigt die wachsende und umgreifende Bedeutung der Methode. NLP-Lehrbücher gibt es mittlerweile für Kindererziehung ("Nerv nicht so, Mama"), für Lehrer, für betriebliche Kommunikation, Verkaufs- und Marketingstrategien, für mehr Intelligenz, für den Kampf gegen Allergien, Erhaltung der Gesundheit, Geschäftserfolg usf. Das Buch mit beigefügter CD "Denken Sie sich schlank" der amerikanischen Psychotherapeutin Elsye Birkinshaw soll helfen, unnötige Pfunde mühelos zu verlieren.

Eine Mitarbeiterin der Frauenzeitschrift "Madame" hat die mit viel Suggestion und Sphärenmusik gespickte CD mit wachsender Begeisterung ausprobiert ("Eine Methode, so aberwitzig effektiv - ich konnte förmlich zuschauen, wie die Speckröllchen um Hüften und Taille schmolzen"). Die erfolgsorientierte Methode scheint zudem wie geschaffen für die Wirtschaft zu sein. Firmen wie Siemens, IBM oder Bayer, geben für NLP-Trainingsstunden viel Geld aus, und das "Handelsblatt" lässt in einem Bericht über NLP die Leiterin der Personalentwicklung beim Bertelsmann Buch Club jubeln: "NLP hat faszinierende Einsichten in die Muster und Abläufe unserer Wahrnehmung und unserer Sprache gebracht. Für meine berufliche Arbeit sind diese Einsichten von großer Bedeutung, denn ihr ‚Enträtseln' im Rahmen von Konfliktsituationen und das Wissen um besseren Umgang miteinander hilft Mitarbeitern und Führungskräften unmittelbar weiter".

Unproblematisch ist die Anwendung von NLP allerdings nicht, folgt man den Diskussionen in Schleswig-Holstein oder Rheinland-Pfalz um die Frage, ob NLP auch in der Lehrerfortbildung eingesetzt werden soll. So hat das Bildungsministerium des nördlichsten Bundeslandes in einem Rundbrief an alle Schulen untersagt, NLP wegen seiner Nähe zu Scientology, des unklaren pädagogischen und psychologischen Überbaus und der Möglichkeit des Missbrauchs anzuwenden. Auch im Mainzer Ministerium hat sich Skepsis gegenüber NLP breitgemacht, nachdem das Staatliche Institut für Lehrerfort- und Weiterbildung in Speyer laut eigener Aussage innerhalb der Lehrerbildung NLP-Kurse angeboten und NLP-Elemente in die Unterrichtsentwicklung integriert hatte. Hier sind die Strukturell nahen Verbindungen zu Scientology offen zu Tage getreten. Als "Einflugschneise für Scientology" bezeichnete entsprechend der Sektenbeauftragte des Bischöflichen Ordinariates Speyer das Konzept. "Die Überzeugung, man könne Menschen konditionieren, sie seien perfekt und könnten alles erreichen, wenn sie ihr eigenes Potential erweitern, trifft man bei NLP wie bei Scientology an", so Bussen. Nicht nur der Scientology-Verdacht, den der DVNLP Vorstand für seine Organisation kategorisch zu leugnen versucht, ruft die Kritiker auf den Plan. Als problematisch wird gesehen, dass durch die Trance ähnlichen Zustände, in die der Klient zunächst versetzt wird, Persönlichkeitsveränderungen in Gang gesetzt werden können, die nur von geübten Psychotherapeuten ohne Schaden für den Betroffenen gesteuert werden können. Die Ausbildung und Organisation der NLP-Trainer erfolgt aber offensichtlich ähnlich einem Schneeballsystem, ohne jegliche Rücksicht auf Vor- oder Ausbildung.

Die Grundannahme, jeder könne durch positive (Selbst-)Beeinflussung alles erreichen, was er nur wolle, zeigt hedonistische Prägung, eine Selbsterlösung, die, anders gewendet, dem Einzelnen Schuld gibt, wenn die Ziele nicht erreicht sind. Was ist, wenn die Kinder weiterhin nerven oder sich der Reichtum nicht eingestellt hat. Nach NLP liegen die Ursachen dann im eigenen Versagen. Schon am mathematisch-formalistischen Namen der Methode ist zudem ein sehr mechanistisches Menschenbild abzulesen: Es genügt eine im suggestiven Zustand vollzogene Umprogrammierung, quasi neue Software im Computer Mensch, um eine Veränderung des Verhaltens zu erreichen. Christliche Spiritualität hat in diesem System höchstens als Technik auf dem Weg zum eigenen Glück Platz.

Dieser Techniken bedient sich auch das immer mehr in Mode kommende "Powertraining", wie es etwa der Niederländer Emile Ratelband anbietet. 50.000 € und mehr kostet ein Wochenende für Firmen, die mit diesem Training hoffen, aus mancher grauen Maus einen Topverkäufer zu machen. Mit Prinzipien der Massenpsychologie und der Suggestion werden die oft in Großveranstaltungen versammelten Teilnehmer auf ein "Du Schaffst-Das" getrimmt, dass sie am Ende über glühende Kohlen oder Scherbenhaufen laufen lässt (der DVNLP "Alles Quatsch"). Doch allzu oft, das zeigen die Erfahrungen, verfliegt das Strohfeuer schnell, wenn es darum geht, die Power im Berufsalltag durchzusetzen. Günter Scheich resümiert in seinem provokant betiteltem Buch "Positives Denken macht krank" aus seinen Erfahrungen als Psychotherapeut, dass mit positivem Denken keine tiefgehende Veränderung angestrebt, sondern lediglich vorgegaukelt werde, man könne, ohne sich anzustrengen, den als negativ empfundenen Zustand durch einen neuen, positiven, ersetzen.

Auch in der katholischen Erwachsenenbildung haben NLP und andere Psychomethoden - nicht immer mit der Zustimmung der Bistumsleitung - Einzug gehalten. Mit Hilfe der Tarot-Karten, so ist es in einem Programm zu lesen, habe man die Möglichkeit, sich neu zu entdecken, innere Blockaden werden gelöst und neue Sichtweisen erlangt. Biodynamik, Bachblüten oder Psychodrama haben ebenso Platz in katholischen Einrichtungen wie fernöstliche Meditationsformen. Die Leiterin eines entsprechend aktiven Bildungshauses folgt nach ihrer Meinung mit ihrem Angebot dem Bedürfnis und der starken Nachfrage ihrer Teilnehmer. Um Schaden zu vermeiden, lege sie großen Wert auf eine hohe Qualifikation der Kursleiter. Auch wolle sie mit ihren Angeboten über negative Tendenzen und Missbrauch aufklären. Darum habe sie auch NLP im Programm: NLP sei "brandgefährlich", weil es sehr manipulativ sein kann". Nach Auffassung von Dr. Ulrich Papenkort, im Erzbistum Köln zuständig für die Gesundheitsbildung, müsse man beim Einsatz dieser Methoden vorsichtig sein, nicht die Grenzen zu Therapie und Beratung überschreiten. "Dies gehöre nicht mehr in den Bereich der Erwachsenenbildung", sondern eindeutig in den Bereich Psychotherapie.

Was ist NLP?

Das NLP (Neuro-Linguistisches-Programmieren) bezieht sich auf unterschiedliche Ansätze und Theorien, die die NLP-Gründer Richard Bandler (Psychologe) und John Grinder (Linguist)- beide aus dem Scientology-Umfeld - in den 70er Jahren zu einem Gebäude zusammengefügt haben. Zentrales Element ist das "Pacing" und "Leading". Der Therapeut (und Lehrer) »schwingt« sich sprachlich und nonverbal in den Klienten ein, indem er zunächst genau die Sprache, die Haltung, die Blickrichtung usf. des Gegenübers analysiert. Er beobachtet, welchen »Sinneskanal« der Klient benutzt und verwendet dann selbst entsprechende Vokabeln. Auf diese Weise, so wird vermutet, entsteht ein »Rapport«, ein Gleichklang. In diesem Zustand nun versucht der Therapeut, den Klienten sachte zu führen. Aufgrund der Annahme, dass es keine Wahrheiten gibt, sondern nur Denkvorstellungen, kann eine "Umprogrammierung" unerwünschter Haltungen dann leicht erreicht werden. Dieser Prozess geschieht häufig in Trancezuständen, beim autogenen Training oder in Tiefenentspannung, wird aber auch für simple Verkaufsgespräche adaptiert »Ja-Schiene«. Über die Arbeit mit inneren Bildern und unbewussten Botschaften sollen die Menschen mit ihren ungenutzten Möglichkeiten vertraut gemacht werden, damit sie sie dann nutzen können. Bei der Technik des "Ankerns" kombiniert der Therapeut - wie bei der klassischen Konditionierung - einen negativen und einen positiven Gedanken mit jeweils unterschiedlichen Reizen (Berührung am Knie / am Arm). Berührt der Therapeut nun beide Körperteile des Klienten simultan, löst er nach dieser Vorstellung damit im selben Moment beide »Anker« und die negativen Gedanken werden neurologisch »ausgelöscht«.

Das "Neurolinguistische Programmieren" (NLP) ist seit vielen Jahren sehr populär. Vertreter dieser Methode wollen negative Gedanken und Gefühle aus dem Unterbewusstsein "löschen" und durch positive ersetzen. Bei richtiger Anwendung soll der Teilnehmer lernen, starre Verhaltensmuster aufzubrechen, sich neuen Handlungsspielraum zu schaffen und flexibler zu leben.

Es handelt sich aber um eine recht gefährliche Therapie, die, weil stark abhängig vom Können des Therapeuten, ausschließlich in die Hand von entsprechend geschulten Psychotherapeuten gehört. Die Teilnehmer sind passiv und haben kaum die Möglichkeit, Wünsche und Sorgen loszuwerden, hier ist der Scharlatanerie Tür und Tor geöffnet.

Sektenkritisch betrachtet, fehlt den diversen Verbindungen der NLP-Trainer und ihren Anhängern eine geeignete Struktur und auch das erforderliche Format, um derzeit als ernstzunehmende Bewegung erachtet zu werden. Aber insgesamt sehen wir gewisse Bestrebungen, die nicht geeignet sind, als unbedenklich eingestuft zu werden.

Therapiekritisch betrachtet sollten hier die vielen Therapierten („Opfer“) nicht unerwähnt bleiben, die überwiegend aus finanziellen Gründen aus dem System herausfallen und dann mit ihren eigenen und „antherapierten“ Problemen als Patienten der Psychotherapie enden.

Literatur:

Birker, W.: Was ist NLP? Rowohlt Taschenbuch 1996

Blickhan, D:: Nerv nicht so, Mama. Herder 1997

Scheich, G.: Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechungen. Eichborn-Verlag 1997

Schwertfeger, B.: Der Griff nach der Psyche. Was umstrittene Persönlichkeitstrainer in Unternehmen anrichten. Campus-Verlag 1997

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