Das Neue Testament das Wort Gottes?

Das Neue Testament - ein authentischer Bericht?

Durch Worte und Begriffe werden wir immer wieder verführt, die Dinge uns einfacher zu denken als sie sind.

Friedrich Nietzsche

© PCMTH 2004

Seit Jahren verfolgen wir die teilweise kontrovers geführten Diskussionen über einen Glauben, von dem behauptet wird, er sei der einzig richtige und einzig göttlich Inspirierte. Aber worauf berufen sich die, welche solche Behauptungen aufstellen? Was ist das Christentum überhaupt und worauf kann man sich wirklich berufen? Gibt es wirklich authentische Textvorlagen oder gar Augenzeugenberichte über einen Menschen, den man zum Sohne Gottes empor hob und dessen angebliche Lehre man über alles Dagewesene stellte. Diesen Fragen werden wir hier einmal mit den Mitteln und Analysemethoden der textkritischen Bibelforschung nach gehen. Jedem ist bekannt, dass das Christentum zu den Buchreligionen, oder auch Lehren der Schriften genannt, zählt. Aber woher kam eigentlich dieser merkwürdige Ausdruck für eine Religion?

Um dies zu verstehen, müssen wir den Anfang dort setzen, woher diese Religion ihren Ursprung nahm - dem Judentum. Dies war die einzige Religion des römischen Imperiums, welche sich auf eine in einem Buch zusammengefasste Lehre berufen konnte. Allen anderen Religionen dieser Zeit waren derartige Texte fremd.Somit war es zwar eine durchaus ungewöhnliche Religion aber längst nicht eine einzigartige. Wie die Anhänger unzähliger anderer Religionen im Imperium glaubten die Juden an ein göttliches Reich, das von übernatürlichen Wesen bewohnt wurde (Engel, Erzengel, Fürstentümer, Mächte); auch sie beteten eine Gottheit durch Tier- und andere, auch Menschenopfer an; sie hatten einen besonderen heiligen Ort (den Tempel von Jerusalem) an dem sich dieses göttliche Wesen offenbarte und an dem regelmäßig Opfergaben dargebracht werden mussten. Sie wandten sich bei gemeinsamen und persönlichen Anliegen im Gebet an diesen Gott und sie erwarteten Hilfe auch in der Gegenwart.

Es war also eine Eigentümlichkeit des Judentums, Traditionen, Bräuche und Gesetze der Vorfahren zu betonen und diese in Büchern festzuschreiben, die für das jüdische Volk den Status von „Heiligen Schriften“ hatten.Während des Zeitraumes, der uns hier interessiert – des ersten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung, als die ersten „neutestamentlichen“ Schriften geschrieben wurden -, einte die im ganzen Römischen Reich zerstreuten Juden eine Überzeugung besonders: Gott hatte seinem Volk in den Schriften Moses – kollektiv als die Tora bezeichnet, was so etwas wie Gesetz oder Anleitung bedeutet – Anweisungen gegeben. Sie gaben detailreich vor, wie sein Volk ihn anbeten sollte und wie es sich untereinander und gegenüber „Anderen“ verhalten sollte. Es waren heilige Gesetze, die gelernt, besprochen und befolgt werden sollten – und sie waren in einer Reihe von Büchern aufgeschrieben.Schließlich als die ersten häretischen Gruppen, die später Christen genannt wurden auftauchten, galten eine Reihe dieser hebräischen Bücher – je nach Verbreitungs- und Lehrart bis zu 22 von ihnen – als heiliger Kanon. Es handelt sich um die jüdische Bibel, die von den Christen als der erste Teil des christlichen Kanons akzeptiert wird: das „Alte Testament“.

Diese kurze Skizze des Judentums und seine schriftlichen Zeugnisse (hierüber wurde von uns an anderer Stelle bereits ausführlich geschrieben) ist wichtig, weil sie den Hintergrund für ein Christentum bildeten, welches sich von Anfang an ebenfalls als eine Buchreligion bezeichnete.Setzen wir mal die Vermutung voraus er habe tatsächlich gelebt, steht am Anfang des Christentums natürlich Jeshua bin Jussuf, ein jüdischer Wanderprediger und Zelotenanführer, der von den römischen Landesherren wegen Volksverhetzung und Anstiftung zum Aufruhr zum Tode verurteilt wurde. Dieser wurde als Rabbi von seinen Jüngern und Anhängern verehrt, obwohl er nicht zur offiziellen Gruppe der religiösen Vertreter des Judentums zählte. Er lehrte seine Jünger die Interpretation der „Bücher“ nach seinem eigenen Ermessen, wobei er die Tora und die übrigen jüdischen Bücher wohl akzeptierte. Er hielt daran fest, dass der Wille Gottes sich in den heiligen Schriften offenbarte, besonders im Gesetz Moses. Er las die Schriften, studierte die Schriften, interpretierte die Schriften und lehrte diese Schriften. Auch seine Nachfolger, sein Bruder Jacobus sowie Petrus und Barnabas verbreiteten „seine Auslegungen“ im Sinne der traditionellen Bücher. Und so fielen auch die urchristlichen Gemeinden aus dem Rahmen, weil für sie die Bücher Quellen heiliger Autorität waren.

Hier muss man aber schon gewaltige Abstriche machen. Dass sie den Büchern hohen Stellenwert zuschrieben, bedeutet nicht, dass sie diese auch lesen oder gar kopieren konnten. Im Gegenteil: Wie die meisten Menschen im Imperium waren auch die frühen Christen überwiegend Analphabeten. Erschwerend kam hinzu, dass sie sich Anfangs überwiegend in jüdischen Splittergruppen der untersten sozialen Schichten sowie Ausgestoßenen rekrutierten. Sicher waren für diese zur Aufrechterhaltung des Gemeinschaftslebens Bücher von elementarer Bedeutung.Neben dem verlesen der vorgenannten jüdischen Texte kam in den frühen christlichen Gruppierungen sehr bald ein relativ regelmäßiger Schriftkontakt zustande, durch welchen sich die Gemeinden untereinander in ihren häretischen Ansichten bestätigten und so ihren Glauben festigten.Der früheste Beleg für die Existenz christlicher Gemeinden entstammt Briefen, die von den Leitern verschiedener Gemeinschaften geschrieben wurden. Einige dieser Briefe wurden relativ früh dem Apostel Paulus zugeschrieben. Inzwischen ist sich die kritische Bibelforschung darin einig, dass es aus rein kirchlichen Interessen dazu kam, dass Briefe, die man im Interesse der frühen römischen Kirche linientreu „korrigiert“ hatte, dem „Apostel“ Paulus als Autor unterschob. Da der Fels des Glaubens, Petrus, sich niemals selbst nach Rom wagte, wollte man sich zumindest einen authentischen Paulus schaffen.Paulus, ein latinisierter Jude, mit relativ hoher Bildung, erkannte die ungeheuren Möglichkeiten dieser „Religion“ des einfachen Volkes sehr früh und wusste sehr genau um die finanziellen Pfründe, die sich hier auftaten. Er gründete im östlichen Mittelmeerraum, vornehmlich in städtischen Zentren, neojüdische Gemeinden, wobei er im Gegensatz zu dem Jesusbruder Jacobus und anderen „Nachfolgern“ dieses Juden, offenbar Heiden (d.h. Anhänger beliebiger polytheistischer Religionen des Imperiums) davon, dass allein der jüdische Gott zu verehren war, dazu Jesus, den er zu dessen Sohn, der für die Sünden der Welt gestorben war und der sehr bald zum Endgericht auf Erden zurück zu erwarten sei, erhob.

Tatsache ist, es gibt nicht einen einzigen sicheren Beweis über das Leben und Handeln des Paulus. Nachdem man sich darüber einigte, dass die „Paulusbriefe“ allesamt von völlig unbekannten Autoren stammen müssen, erhärtet sich zunehmend der Verdacht, dass man zu Beginn des 2. Jh. eventuell aus vielen für das frühe Christentum engagierten Gemeindeleitern, einen „Superpaulus“ als Gründungsapostel schuf. Bei dem missionierenden „Apostel“ im griechisch vorbelasteten Imperiumsteil, könnte es sich durchaus um mehrere, zu Beginn des 2. Jh. bereits vergessene Schüler der antiochischen Schule gehandelt haben. Aber wie gesagt, hier gibt es keinerlei sichere Quellen.

Tatsache ist, dass in den frühen christlichen Gemeinden Briefe eine zentrale oder besser gesagt die zentrale Rolle zur Verbreitung und Festigung der Lehren spielten. Basis der gesamten Schriften und diversesten frühen Lehren war aber das alte Testament der jüdischen Texte. Aber während man bei den jüdischen Texten zumindest berechtigte Vermutungen über die Autorenschaft anzustellen vermag, ist solches bei den christlichen Texten nicht tatsächlich möglich.

Tatsache ist auch, das gerade die Texte über mehr glaubhafte Authentität verfügen, die heute als apokryphisch gelten. Nehmen wir die Apostelgeschichten, hier wurden die wesentlich älteren Texte, die dem Petrus und dem Thomas zugeschrieben wurden durch die erst gegen Ende des 2. JH. aufgetauchten Schriften des Lukas ersetzt. Keine aufkommende Lehre über den Juden Jeshua war abartig genug nicht doch Anhänger und Verbreiter zu finden.

Selbst Anweisungen zur Verbreitung der christlichen Lehre der folgenden Art konnten niemanden wirklich abschrecken: „Lasst keinen Gebildeten, keinen Weisen, keinen Vernünftigen näher kommen. Denn diese Fähigkeiten sind unserem Denken nach Sünden. Doch lasst jeden Unwissenden, jeden Dummen, jeden Ungebildeten, jeden der ein Knabe ist, mutig hinzutreten und die Lehre annehmen.“ (Frauen und Mädchen waren bereits im ausgehenden 1. Jh. nicht wirklich in den Gemeinden gut angesehen!) (gegen Celsus 3,44)

„Darüber hinaus sehen wir, dass diejenigen, die ihre geheimen christlichen Überlieferungen auf den Marktplätzen öffentlich zur Schau stellen und sich daranmachen, um der Lehre Willen zu betteln, niemals eine Versammlung intelligenter Menschen betreten würden, noch würden sie es wagen, ihre fragwürdigen Glaubensüberzeugungen in deren Gegenwart offenzulegen; doch sooft sie halbwüchsige Jungen, Sklaven oder eine Gesellschaft von Dummköpfen sehen, drängen sie hinzu und hauen auf den Putz.“ (gegen Celsus 3.50)

„In Privathäusern sehen wir auch Wollearbeiter, Flickschuster, Wäscherinnen und den ungebildetsten Pöbel und Bauerntrampel, die es nicht wagen würden, überhaupt etwas vor ihren Älteren und intelligenteren Dienstherren über diese Lehren zu sagen. Doch sooft sie im vertrauten Rahmen Kinder, insbesondere heranwachsende Knaben zu fassen bekommen und einige dumme Weiber mit ihnen, lassen sie die erstaunlichsten und fragwürdigsten Aussagen heraus, , wie zum Beispiel, dass sie ihrem Vater und ihren Lehrern in der Schule keinerlei Aufmerksamkeit zollen dürfen…; sie sagen, dass diese Unsinn reden und keinerlei Verständnis haben… Doch, wenn sie es möchten, sollten sie den Vater und die Mutter verlassen und mit den Frauen und Spielgefährten, mitgehen, zum Wollkleidergeschäft oder zum Schuster- oder Wäscherinnenladen, damit sie die christliche Vollkommenheit lernen sollten. Auf diese Art überredeten sie diese und fanden viele und willige Opfer. (gegen Celsus 3.56)

Diese vorstehenden Passagen stammen aus der Gegenschrift „gegen Celsus“, einem hochgebildeten Gelehrten des 2. Jh, welche der „Kirchenvater“ Origenes verfasste und welche uns vollständig erhalten ist. (Ohne den „Gegenpart“ Origenes wären uns die Schriften des Celsus nie bekannt geworden).

Zu den obskuren Verbreitungsmethoden, kommen die noch obskureren Lehrinhalte, die in den ersten 3 Jh. praktisch von Dorf zu Dorf, von Provinz zu Provinz so stark von einander abwichen, dass man schon damals nicht nur Zweifel am „göttlichen“ Auftrag, sondern auch an der Ernsthaftigkeit an sich hegte. Bis zum 3. Jh. galten die meisten dieser Bewegungen als staatsfeindliche, terroristische Organisationen.

Wenden wir uns aber wieder dem „Wort“ an sich zu. Sehr früh wurde die wirklich umfassende Briefflut von einigen besonders engagierten Predigern oder gebildeten Gemeindegliedern zu Textsammlungen zusammengefasst, aus welchen dann die diversen Evangelien entwickelt wurden. Hier verweise ich auf den Anfang des Lukas-Evangeliums, in welchem der Autor selbst auf diverse Quellennutzungen verweist! Interessant ist hier, das die heute im NT als göttlich inspiriert geltenden EV. aus vier verschiedenen Provinzen des Imperiums stammen, in welchen diese bis zum auslaufenden 2. Jh. ausschließlich und jedes allein für sich als authentische Texte verbreitet und anerkannt waren.

Aber neben den heute noch im NT befindlichen Texten gab es noch hunderte andere, die im laufe der Zeit mal zum Kanon gezählt wurden und auch wieder entfernt wurden. Hier besonders interessant sind die vollständig überlieferten Texte des Schreibers, Propheten und Predigers Hermas, die unter dem Titel der Hirt des Hermas noch im 4. Jh. im berühmten „Codex Sinaiticus“ zum Kanon gehörten. Dieser Hermas empfing göttliche Offenbarungen über die Zukunft der Lehre und der Menschheit durch eine ältere Frau in Engelsgestalt, mit dem Auftrag diese niederzuschreiben und in der Welt zu verbreiten.Hermas gilt als Bruder des Bischofs Pius und wird selbst durch Augustinus noch als Prophet in einigen Schriften erwähnt.

Aber neben dem entfernen ganzer Texte aus dem Kanon unterlagen die dort heute noch befindlichen Texte einer ständigen Veränderung durch sowohl bewusst durchgeführte Veränderungen als auch durch reine Abschreibfehler infolge der mangelnden Bildung der Kopisten.

Sicher ist die Bibel etwas Besonderes. Es ist ein ganz besonders dreister Fall von Massenbetrug durch Volksverdummung auf der Basis von Sagen und Legenden eines unbedeutenden Beduinenvolkes.

Aber wenden wir uns wieder den real prüfbaren Daten zu. Wie ich bereits ausführte, weiß jeder der mit den Manuskripttraditionen des Neuen Testamentes vertraut ist, dass die uns vorliegenden byzantinischen Textkopien einander sehr ähnlich sind, die frühesten vorliegenden Texte und Abschriften dagegen extrem variieren – sowohl voneinander als auch von der Textform der späteren Kopien, und der Grund sollte jedem klar sein.Es ist aber ein gravierender Fehler eventuell anzunehmen die späteren Kopien würden besser dem neutestamentlichen Originaltext nahekommen, weil sie so weitgehend übereinstimmen.

Hier muss man die Frage stellen, woher bekamen die Kopisten des Mittelalters die Texte, die sie ja nur kopierten. Sie hatten ja nichts als die früheren Texte, die den Kopien so unähnlich sind. Daher muss man als sicher erachten, dass die älteren Texte ohne Zweifel trotz alles unterschiedlichen und laienhaften Kopien früherer Zeiten dem Original irgendwie am nächsten kommen. Eine weitere wesentliche Erschwernis im Auffinden von Originaltexten liegt in der Tatsache, dass alle ursprünglichen Texte in Teilen des Imperiums verfasst wurden, in denen kein Latein gesprochen wurde sondern koptisch, syrisch und auch griechisch.

In diesen Gegenden wurden gegen Ende des zweiten Jahrhunderts die ersten Texte in den jeweiligen Landessprachen kopiert und auch untereinander die ersten Texte ausgetauscht und übersetzt. Die ersten lateinischen Übersetzungen traten im dritten Jahrhundert auf und zwar derart massig und unterschiedlich, dass niemand mehr in der Lage war den eigentlichen Inhalt heraus lesen zu können. Da entschloss sich der römische Bischof Damasus (heute zu den ersten Päpsten gezählt) den größten Gelehrten der damaligen Christenheit Hieronymus mit einer lateinischen Übersetzung zu betrauen, die als eine offizielle lateinische Leseart gelten sollte. Dieser jedoch griff zunächst auf die ungezählten lateinischen Fehlübersetzungen als Grundlage zurück und wählte die nach seiner Meinung besten Textvarianten aus. Dann verglich er den gewonnen Text mit den wenigen in Rom vorliegenden griechischen Manuskripten und schuf so eine neue lateinische Ausgabe der Evangelien. Dieses Werk wurde als „Vulgata“ die Grundlage der westlichen Kirche und ist es auch noch bis in die heutige Zeit.

Der erste der sich wissenschaftlich mit den Abweichungen in den Texten des NT auseinandersetzte war der britische Theologe John Mill (16.Jh.) vom Queens College in Oxford.Er verbrachte sein ganzes Leben damit alle möglichen verfügbaren Manuskripte zu lesen und zu überarbeiten. Seine 30 Jahre währenden Studien ruinierten nicht nur seine Gesundheit. Er fand bereits 30.000 abweichende Textvariationen, welche er in einem Buch veröffentlichte. Bedauerlicherweise verstarb er bereits zwei Wochen später.Heute kennen wir bedeutend mehr Manuskripte und kommen natürlich auch auf bedeutend mehr Abweichungen. Hierzu muss angemerkt werden, dass die meisten Manuskripte aus der Zeit vor dem 3. Jh. kaum als solche zu bezeichnen sind. Es handelt sich dabei um Textfragmente von der Größe einer Kreditkarte (P52) aus dem Johannesevangelium bis hin zum Text des Mathäusevangeliums, dem sogenannten Scheide Codex und dem Codex Sinaiticus in einer Größe von ca. 38x34 cm. Bei den meisten handelt es sich um billige Kopien (viele Texte wurden auf ausradierten älteren Dokumenten geschrieben) aber wir haben auch einige aufwendig gestaltete Ausgaben zumindest in Teilexemplaren aufgefunden.Insgesamt verfügen wir auf etwa 15.700 Manuskripte. Was aber lässt sich aus dieser Masse als einziges mit Sicherheit feststellen? – Wir haben mehr als 400.000 Textvarianten und Abweichungen – das bedeutet wir finden mehr Varianten als Wörter im gesamten Neuen Testament.

Wissenschaftlich völlig unbestritten ist inzwischen die Tatsache, dass man bei dem heute vorliegenden Text des NT bestenfalls von einer amtlichen Rekonstruktion (kirchlicherseits), aber niemals von einem auch nur annähernd realen Urtext sprechen kann. Weder die Autoren noch der tatsächliche Ursprung der Texte sind real zu ermitteln oder zu bestimmen. Es handelt sich bestenfalls um Erzählungen von Erzählungen die jemand erzählt hat von jemandem dem sie irgendwo erzählt wurden.

Für diejenigen, die auf diesem Gebiet überhaupt nicht bewandert sind, das Neue Testament aber gut kennen oder gar für die noch immer weit verbreitete Irrlehre der Originalworte Gottes, Jesus oder aber durch diese Inspiriert weitergegeben halten, könnten einige Ergebnisse überraschend sein. Zunächst möchte ich zwei solcher Textstellen diskutieren - das heißt: zwei Passagen aus den Evangelien, von denen wir absolut sicher wissen, dass sie ursprünglich nicht in das Neue Testament gehörten, auch wenn sie für Christen seit Jahrhunderten beliebte Bestandteile der Bibel sind.

Die Ehebrecherin

Die Geschichte Jesu und der Ehebrecherin ist eine der bekanntesten Geschichten über Jesus in der Bibel; in den Hollywood-Filmen des Lebens Jesu wurde sie gerne immer wieder nacherzählt. Wir sehen sie sogar in Mel Gibsons Passion Christi, obwohl sich dieser Film auf die letzten Stunden Jesu konzentriert und die Geschichte darum in einer der wenigen Rückblenden erzählt wird. Auch in vielen Foren wurde sie schon diskutiert. Die Erzählung findet sich nur an einer Stelle des Neuen Testamentes: in Joh. 7,53-8,11 und es ist sicher, dass sie ursprünglich nicht einmal dort gestanden hat. Die Handlung ist bekannt. Jesus lehrt im Tempel und eine Gruppe von Schriftgelehrten und Pharisäern, seine Feinde, nähern sich ihm. Sie bringen eine Frau mit, die in flagranti beim Ehebruch erwischt worden ist, und wollen nun Jesus auf die Probe stellen:

Das Gesetz des Moshe verlangt, eine solche Person zu Tode zu steinigen; doch die Pharisäer wollen wissen, was Jesus zu der Angelegenheit zu sagen hat. Sollen sie sie steinigen oder ihr gegenüber Barmherzigkeit zeigen? Es ist eine Falle: Wenn Jesus ihnen sagt, sie sollen die Frau gehen lassen, kann er der Übertretung von Gottes Gesetz beschuldigt werden; befiehlt er ihnen, sie zu steinigen, kann man ihn anklagen, seine eigenen Lehren über Liebe, Barmherzigkeit und Vergebung zu unterlaufen.

Jesus antwortet nicht sofort; stattdessen hockt er sich hin und schreibt etwas auf die Erde. Als sie weiter fragen, sagt er: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.« Dann widmet er sich wieder seinen Aufzeichnungen auf dem Boden. Unterdessen verlassen diejenigen, die die Frau gebracht haben, nach und nach den Ort - offensichtlich fühlen sie sich ihrer eigenen Missetaten überführt. Schließlich ist nur noch die Frau da. Jesus sieht auf und fragt: »Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt?« Worauf sie erwidert: »Niemand, Herr.« Er antwortet: » So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.«

Es ist eine tolle Geschichte, voller Pathos und mit einer cleveren Wendung. Jesus zieht sich geschickt aus der Affäre - ganz zu schweigen von der armen Frau. Natürlich wirft die Erzäh-lung zahlreiche Fragen auf. Zum Beispiel: Wenn diese Frau auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt wurde, wo war dann der Mann, der mit ihr zusammen war? Beide mussten nach dem Gesetz des Moshe gesteinigt werden (vgl. Lev 20,10). Außerdem: Was genau schrieb Jesus auf die Erde? (Nach einer alten Lesart schrieb er die Sünden der Ankläger auf und diese gingen dann beschämt weg!) Und auch wenn Jesus die Botschaft der Liebe predigte: Dachte er wirklich, dass das von Moshe gegebene Gesetz Gottes nicht mehr galt und es nicht mehr befolgt werden sollte? Sollten Sünden nach dem Willen Jesu überhaupt nicht bestraft werden?

Die Erzählung ist faszinierend und besticht durch ihre Brillanz – und doch zeigt sich ein weiteres erhebliches Problem. Sie stand ursprünglich nicht im Johannesevangelium, auch nicht in einem der anderen Evangelien. Spätere Schreiber fügten sie hinzu.

Woher wissen wir das? Tatsächlich haben Gelehrte, die sich mit der Überlieferung der Texte beschäftigen, in diesem speziellen Fall keinerlei Zweifel. Auch die RKK hat inzwischen eingeräumt, dass hier wohl allein im Sinne des Glaubens am derzeitigen Text des Evangeliums festzuhalten ist und berechtigte wissenschaftliche Zweifel deshalb nur im Hintergrund zur Kenntnis genommen werden sollten. Hier will ich einfach ein paar grundlegende Tatsachen aufführen, die in der wissenschaftlichen Forschung unstrittig sind: Die Geschichte findet sich nicht in unseren ältesten und besten Manuskripten des Johannesevangeliums; der Stil, in dem sie geschrieben wurde, unterscheidet sich stark von dem Stil des übrigen Evangeliums (einschließlich der Textteile unmittelbar davor und danach); auch enthält sie viele Wörter und Sätze, die dem Evangelium ansonsten fremd sind und aus einem völlig anderen sprachlichen Umfeld entstanden sind als der Urtext. Die Schlussfolgerung ist unvermeidlich: Diese Passage war ursprünglich nicht Teil des Evangeliums.

Wie wurde sie dann hinzugefügt? Dazu gibt es zahlreiche Theorien.

Die meisten Wissenschaftler denken, dass die Geschichte über Jesus irgendwann am Rand eines Manuskripts eingefügt wurde. Daher dachte der eine oder andere Schreiber, dass die Randbemerkung eigentlich Teil des Textes war und fügte sie unmittelbar nach dem Bericht ein, der mit Joh. 7,52 endet. Andere Schreiber fügten den Bericht an anderen Stellen des Neuen Testamentes ein - einige zum Beispiel nach Joh. 21,25 und andere interessanterweise nach Luk. 21,38. Wer immer auch den Bericht schrieb - es war in keinem Fall Johannes oder der Autor des Ursprungsbriefes.

Der Gläubige steht nun vor einem Dilemma: Wenn diese Geschichte ursprünglich nicht Teil des Johannesevangeliums war - kann man sie dann als Teil der Bibel betrachten? Nicht jeder wird auf diese Frage dieselbe Antwort finden, doch die Antwort der meisten textkritischen Wissenschaftler lautet: nein.

Die letzten zwölf Verse des Markusevangeliums

Das zweite Beispiel wird dem nicht so Bibelkundigen vielleicht weniger bekannt sein. Es spielte aber eine wichtige Rolle in der grundlegenden Geschichte biblischer Interpretation und manifestierter Glaubenslehre. Die Stelle findet sich am Ende des Markusevangeliums.

In Markus' Bericht heißt es, dass Jesus gekreuzigt und danach durch Josef von Arimathäa am Tag vor dem Sabbat beerdigt wird (15,42-47).

Am Tag nach dem Sabbat gehen Maria von Magdala und zwei andere Frauen zum Grab, um den Leichnam ordnungsgemäß zu salben (16,1-2).

Als sie ankommen, bemerken sie, dass der Stein weggerollt wurde. Als sie das Grab betreten, sehen sie einen jungen Mann in einem weiß en Gewand, der ihnen sagt: »Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.« Dann weist er die Frauen an, den Jüngern zu erzählen, dass Jesus ihnen nach Galiläa vorausgeht und sie ihn dort sehen werden, »wie er euch gesagt hat«. Doch die Frauen fliehen und sagen niemandem etwas, »denn sie fürchteten sich«.

Danach folgen in vielen modernen Übersetzungen die letzten Verse von Markus - Verse, die die Geschichte weiter erzählen. Danach erscheint Jesus selbst Maria von Magdala, die daraufhin zu den Jüngern geht und ihnen von der Erscheinung erzählt; doch sie glauben ihr nicht (VV. 9-11). Danach erscheint er zwei anderen (VV. 12-14) und schließlich den elf Jüngern (den Zwölfen ohne Judas Iskariot), die gemeinsam am Tisch versammelt sind. Jesus tadelt ihren fehlenden Glauben und beauftragt sie, »aller Kreatur« das Evangelium zu verkünden. Jene, die glauben und getauft werden, würden »selig«, doch diejenigen, die nicht glaubten, würden »verdammt«.

Es folgen die erstaunlichsten Verse dieses Abschnittes:

Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zei-

chen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, sie

werden in neuen Sprachen reden, wenn sie Schlangen anfassen oder töd-liches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen

sie die Hände auflegen, werden gesund werden. (VV. 17-18)

Jesus wird dann in den Himmel aufgenommen und sitzt zur rechten Hand Gottes. Und die Jünger gehen hin in die Welt und verkünden das Evangelium. Ihre Worte werden durch die benannten Zeichen bestätigt (VV. 19-20).

Es ist eine fantastische Textstelle - geheimnisvoll, bewegend und kraftvoll. Die Christen der Pfingstgemeinden zitieren diese Passage, um zu zeigen, dass Jesu Nachfolger in unbekannten »Zungen« reden können -, wie sie es selbst in ihren Gottesdiensten tun. Doch es gibt ein Problem: Diese Textstelle stand ursprünglich nicht im Markusevangelium. Sie findet sich in keinem der Manuskripte aus den ersten drei Jahrhunderten. Sie wurde von einem späteren Schreiber hinzugefügt.

In gewisser Hinsicht ist diese Textstelle umstrittener als der Abschnitt über die Ehebrecherin - denn ohne diese Verse ist das Ende des Markusevangeliums ein ganz anderes und nicht nur schwer verständlich, sondern es stellt die gesamte „christliche“ Missionstätigkeit mit allen ihren zweifelhaften Folgen endgültig ad absurdum. Das heißt natürlich nicht, dass Gelehrte diese Verse im Allgemeinen akzeptieren würden. Dass die Verse später hinzugefügt wurden, ist unstrittig. Die Wissenschaftler diskutieren vielmehr darüber, wie das Markusevangelium ursprünglich endete. Keine Erscheinung des „Auferstandenen“ und kein „Missionsauftrag“.

Was war dann die ursprüngliche Idee dieser neuen jüdischen Bewegung?

Die Belege dafür, dass diese Verse ursprünglich nicht ins Markusevangelium gehörten, ähneln den Belegen über den Text zu Jesus und der Ehebrecherin - ich brauche nicht noch einmal in alle Details zu gehen. Die Verse sind in unseren ältesten und besten Manuskripten des Markusevangeliums sowie in anderen wichtigen Zeugnissen nicht zu finden; der Schreibstil weicht von dem sonst üblichen ab und der Übergang vom unmittelbar davor stehenden Textabschnitt ist kaum zu verstehen (z. B. wird Maria aus Magdala in Vers 9 neu eingeführt, obwohl sie bereits in den vorangegangenen Versen auftritt).

Außerdem gibt es zahlreiche Wörter und sprachliche Eigenheiten in dem Textabschnitt, die nirgendwo sonst im Markusevangelium zu finden sind. Kurz: Die Hinweise reichen aus, um nahezu alle Fachwissenschaftler zu überzeugen, dass diese Verse dem Markusevangelium hinzugefügt wurden.

Ohne diese Verse endet die Geschichte allerdings ziemlich abrupt. Man bedenke, was passiert, wenn diese Verse wegfallen: Die Frauen sollen die Jünger darüber informieren, dass Jesus ihnen nach Galiläa vorausgehen und ihnen dort begegnen wird (evtl. ein versteckter Hinweis auf die Ersatzhinrichtung des Simon). Doch sie, die Frauen, fliehen und sagen niemandem etwas, »denn sie fürchteten sich«. Und damit endet das Evangelium....Und „erschien“ Jesus niemals den Jüngern selbst, weil diese ihn nicht in Galiläa erwarteten?

Wie konnte dies das Ende sein!

Die Schreiber schienen das Problem zu erkennen und fügten eigenhändig einen Abschluss hinzu, der der späteren Lehre dienlich war.

Einige Gelehrte heute glauben ebenfalls, dass mit Vers 16,8 das Evangelium nicht enden kann, wissen und akzeptieren aber auch, dass der Abschluss, den wir jetzt lesen, nicht authentisch ist. Sie versuchen sich in der gewagten Theorie, dass möglicherweise auf der letzten Seite die Zusammenkunft Jesu mit den Jüngern geschildert wurde, diese Seite aber wohl irgendwie verloren ging.

Alle unsere Abschriften des Evangeliums müssten sich also auf ein Manuskript mit einer fehlenden letzten Seite zurückführen lassen?

Andere Wissenschaftler glauben allerdings, dass Markus sein Evangelium tatsächlich mit 16,8 abschließen wollte. Dafür spricht, dass ein solches Ende gut zu der allgemeinen Haltung des Textes passt.

Wer Markus studiert hat, weiß, dass die Jünger »es« in diesem Evangelium niemals so recht zu »kapieren« scheinen (anders als in anderen Evangelien, die aber nachweislich von Markus abgeschrieben wurden oder diesen zumindest als ausschlaggebende Grundlage verwendeten). Wiederholt wird von ihnen gesagt, dass sie Jesus nicht verstehen (6,51-52; 8,21), und als Jesus ihnen bei mehreren Gelegenheiten erzählt, dass er leiden und sterben muss, können sie offensichtlich seine Worte nicht begreifen (8,31-33; 9,30-32; 10,33-40). Vielleicht konnten sie ihn tatsächlich niemals verstehen (anders als die Leser vom neutestamentlichen Markus, die von Anfang an verstehen können, wer Jesus wirklich ist???). Interessant ist auch:

Im Markusevangelium verpflichtet Jesus jede Person, die etwas von ihm „erkannt hat“, zum Stillschweigen - allerdings ignoriert diese Person im NT den Befehl und verbreitet die Neuigkeiten (z.B. 1,43-45). Welche Ironie, dass ausgerechnet die Frauen am Grab, denen befohlen wird, nicht zu schweigen, sondern zu sprechen, diesen Befehl ebenso ignorieren – und schweigen!?

Kurz, es ist wohl tatsächlich an der Zeit die Bibelverfechter dazu zu bewegen, in sich zu gehen und zu fragen: Was jetzt?

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